Wir suchen schon lange einen Kindergartenplatz für unseren Sohn. Inzwischen ist er drei Jahre alt. Läuft uns über Tische und Stühle. Leider rieselt es vor einiger Zeit noch jede Menge Absagen, da ich mich mit unserem zweiten Kind in Elternzeit befinde: “Sie haben doch Zeit. Sind zu Hause. Andere Eltern haben Vorrang.” Wir mussten nach einer Alternative schauen. Die geeignetste ist der Waldkindergarten, keine 5 Minuten zu Fuß von uns entfernt. Dort bekamen wir aufgrund der ungünstigen Betreuungszeiten, von 8.15 bis 13.45 – ohne Mittagessen, Eintrittsalter ab drei Jahren, direkt eine Zusage. Es dauerte nicht lange bis nähere Verwandte ihren Unmut Ausdruck verliehen: “Aber wie sieht es denn mit der Schulvorbereitung in solch einem Waldkindergarten aus?” “Schneiden, Zählen, Schreiben? Ist das dort gegeben?”
Auf die meisten mir gestellten Fragen wusste ich keine Antwort. Ich habe mich mit diesen Punkten nicht auseinandergesetzt. Sie bedeuten mir persönlich nicht viel. In meinen Augen sind Kinder bis zum Eintritt in die Schule – Kinder. Kleine Menschen, die neugierig bleiben sollen. Spielen. Die Lust am Leben kennen- und lieben lernen sollen. Der Ernst des Lebens kommt früh genug. Mit dieser Meinung bin ich relativ allein auf Gottes geweihter Erde. Sorgen und Ängste, die Kinder könnten beim Eintritt in der Schule nicht mitkommen ist groß.
Mit der Zeit bekam auch ich Sorge. Bedenken, dass wir uns aus “Bequemlichkeit” für den falschen Weg entschieden haben. Ich recherchierte. Las Studien. Wandte mich an meine liebe Bloggerfreundin Julia, die auf ihrem freundlichen Blog Frieda Friedlich über das Leben mit ihrer Frieda schreibt. Hauptberuflich ist sie Lehrerin in Vollzeit. Berufsbedingt mit Erstklässlern ständig konfrontiert. Die perfekte Expertin, um mir einmal ihre Meinung über die Vorschule zu verraten.
Als ich an diesem Morgen in die Klasse komme, wuseln unsere Erstklässler im Klassenraum herum. Wie eigentlich an jedem Tag. Hinter ihnen liegen schon zwei Schulstunden, sie haben bereits viel und über einen längeren Zeitraum konzentriert gearbeitet. Nach der Lernzeit, in der sie in ihrem eigenen Tempo an ihrem Material arbeiten können, und dem gemeinsamen Morgenkreis, fiebern sie nun der Frühstückspause und dann der langen Hofpause und viel Bewegung entgegen. Was genau macht eine Schulreife wirklich aus, welcher Kindergarten bereitet seine „Zöglinge“ eigentlich gut auf die Schule vor und welchen Anteil daran hat überhaupt die Vorschule?
Ich bin Sonderpädagogin an einer Grundschule im Gemeinsamen Lernen in Köln und in unserer Schule arbeiten wir in jeder Klasse jahrgansstufenübergreifend. Das bedeutet, wir haben Klassen mit rund 25 Schülern von der 1. bis zur 4. Klasse mit und ohne Förderbedarfe. Unsere Schulneulinge haben in der Regel alle einen Kindergarten besucht, meistens ist das der benachbarte Regelkindergarten, in dem die Kinder ein richtiges Vorschuljahr durchlaufen. Trotz dieses Vorbereitungsjahres können einige unserer Erstklässler am Anfang nicht mit einer Schere umgehen, gerade schneiden oder Buchstaben unterscheiden.
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Aber keine Sorge!
In wahnsinnig kurzer Zeit haben die meisten Kinder das anfängliche Fehlen verschiedener Fähigkeiten dann schnell aufgeholt und schneiden, kleben und schreiben wie kleine Weltmeister. Was aber einem Großteil unserer heutigen Schülerinnen und Schüler viel mehr fehlt, oft nicht in einer so kurzen Zeitspanne aufgeholt werden kann und von noch viel größerer Bedeutung für die sogenannte Schulreife ist, sind in meinen Augen das Sozialverhalten, ihre bisher gelernten Lern- und auch Arbeitstechniken und ihre Kreativität, die intrinsische Motivation und der Explorationsdrang.
Von Natur aus sind Kinder eigentlich neugierig und forschen, betrachten und beobachten Gegenstände und Vorgänge mit großem Wunsch sie auch nachzuvollziehen. Unsere Kinder stellen viele Fragen und sie wollen die Welt um sie herum verstehen. Mini Menschen experimentieren eigentlich gerne mit Sachverhalten, Sprache und auch im sozialen Miteinander. Sie powern sich im Spiel aus, Toben, Rennen, Kreischen und können sich im Anschluss wieder ganz wunderbar und hochkonzentriert auf das Untersuchen spannender Dingen einlassen. Sie sind mitfühlend mit anderen Menschen und auch Tieren, zeigen sich gerne hilfsbereit und schätzen und schützen unsere Umwelt. Es geht um körperliche, die kommunikative und die emotionale Intelligenz.
Schulneulinge, was müssen sie können?
Das scheint aber leider zunehmend vielen unserer Schulneulinge abhanden zu kommen. Aber genau das ist viel entscheidender als den Umgang mit einer Schere zu beherrschen. Es gibt sogar ein paar sehr spannende Studien, aus denen hervor geht, dass Kinder aus einem Waldkindergarten deutlich besser in den oben genannten (und oft entscheidenderen) Bereichen abschneiden als Kinder, die einen Regelkindergarten besucht und somit in den meisten Fällen ein Vorschuljahr absolviert haben. Schulvorbereitung muss also so viel mehr als nur der Besuch der Vorschule sein.
Zu Hause vs. Kindergarten
Schulvorbereitung im Sinne der ganzen Schularbeiten und fachlichen Fertigkeiten muss nämlich so oder so zusätzlich zu Hause stattfinden. Vor allem zu Hause sehen die Kinder, wieErwachsene mit einer Schere schneiden und ahmen es voller Tatendrang nach.
Vorschuljahr kann und muss das gar nicht ganz alleine leisten. Wenn es kein schulvorbereitendes Jahr im Kindergarten gibt, dann passt das für die Mehrheit der Mini-Menschen-Kinder auch so. Die kulturgebundenen Fähigkeiten lernen sie auf jeden Fall früher oder später. In KiTas mit einem großen Bezug zur Natur werden zukünftige Schülerinnen und Schüler bestens (ich möchte sogar behaupten viel besser) auf die Schule vorbereitet und noch viel mehr Einrichtungen sollten viel weniger die kulturbezogenen Fähig- und Fertigkeiten wie Schneiden, Basteln, Kleben in den Fokus nehmen als gemeinsam in der Natur zu leben und sie miteinander zu erleben.
Und während ich diese Zeilen hier schreibe und ich für diesen Beitrag so viel gelesen und mich informiert habe, reift in mir nun auch der innige Wunsch, uns mit unserer Tochter Frieda auch für einen Platz in einer Kita zu bewerben, in der sie viel mehr Kontakt zur Natur hat als jetzt. Leider gibt es so tolle KiTa-Plätze ja nicht gerade wie „Sand am Meer“, aber ein Versuch ist es sicherlich wert. Es muss ja nicht gleich ein richtiger Waldkindergarten sein, aber zumindestens ein kleinere Gruppe, die täglich bei Wind und Wetter im Park oder Wald um die Ecke unterwegs ist. Drückt uns die Daumen.
Liebe Alina,
ich habe gerade beim Lesen deines Blogs richtig mitgefiebert. Ich kann das absolut verstehen dass du hin und hergerissen bist zwischen einem “normalen Kindergartenplatz” und dem Waldkindergarten. Auch ich bin der Meinung dass Kinder bis ins Eintritt des Schulalters einfach nur Kind sein sollen. Sie sollen raus, sich austoben, die Natur kennenlernen, im Matsch spielen, den Regen spüren, barfuß im Dreck laufen.
Wenn ich jetzt so zurückdenke, dann hätte ich diese Option damals vielleicht auch genommen. bzw hätte es mir gewünscht. Meine Kinder sind jetzt 11 und 8 und natürlich aus dem Kitathema schon längst raus im “Ernst des Lebens” angekommen”
Aber ich hatte damals einfach keine Wahl, keine mehrere Möglichkeiten aus denen ich wählen konnte. Ich habe bei beiden Kindern jeweils 18 Monate Elternzeit genommen und mit dem Arbeitgeber ausgemacht dass ich dann zurückkomme. Aus finanziellen Gründen nach meinem ersten Kind sogar in Vollzeit zurück. Das hat mich natürlich damals total unter Druck gesetzt einen Kitaplatz zu finden, egal welchen, es musste einfach ein U3 Platz her!
Ich habe mich quasi schon vor der Geburt angemeldet und eigentlich ab dem Zeitpunkt nur gehofft das es irgendwie klappt.
Als wir dann kurz vor dem 18. Monat eine Zusage bekommen haben, da habe ich ehrlich gesagt garnicht drüber nachgedacht ob ich den Platz jetzt nehme oder nicht oder mich vielleicht doch noch umschauen will ob ich eine bessere Alternative habe. Ich bin einfach zur Kita gestürmt, hab den Vertrag unterschrieben und war nur erleichtert.
Manchmal wünsche ich mir ich hätte für mich selber nicht so einen Druck gehabt mit dem arbeiten und hätte mehrere Optionen gehabt auszuwählen wo das Kind betreut wird.
Aber um dich oder eventuell andere Mütter zu beruhigen. Es war gut. Es war echt alles gut wie es gelaufen ist. Beide Kinder hatten eine wunderschöne Zeit (auch wenn es eine städtische Kita war) :-), sie haben sich sehr wohl gefühlt, sie waren von Anfang an integriert, haben sich schnell eingewöhnt, Freunde gefunden, ihr Sozialverhalten gestärkt und es war tatsächlich so, dass sie am Ende des Tages keine Lust hatten mit mir nach Hause zu kommen und lieber bei ihren Freunden in der Kita bleiben wollten. Ich glaube ich habe in den ersten Tagen beim Abschied mehr geheult als sie :-)
Was ich sagen will ist, natürlich ist die Waldkindergartenmöglichkeit toll und ich hätte sie bestimmt auch genutzt wenn ich gekonnt hätte. Aber so wie es jetzt gelaufen ist, ist auch alles prima gewesen und ich kann wirklich nur positiv darüber sprechen. Egal welche Kita, wichtig ist, dass wir uns als Eltern dann auch nach den Kita/Waldstunden mit den Mäusen beschäftigen und ihnen das geben, was wir persönlich denken, was ihnen guttut. Und so läuft dann alles schon in geregelten Bahnen….
lg Hiyeun :-)