Mein liebster Sohn,
Was für eine Woche liegt bloß hinter uns? Wie viel habe ich diese Woche mit Dir geschimpft, gemeckert und mich geärgert ohne handfesten Grund. Einfach nur geärgert, weil ich aufgeräumt habe und es innerhalb weniger Sekunden wieder unaufgeräumt gewesen ist. Einfach nur, weil du dazwischen kamst. Ich wollte doch so gerne mal ein paar Minuten Ruhe haben. Mir nach stressigen Tagen eine Auszeit gönnen, aber all das war einfach nicht möglich. Entweder musste ich mir im Radio einen rauschenden Sender anhören oder Dir immer und immer wieder beim Staubsaugen helfen. Nie verlief es nach meinem Plan. Immer wieder gerieten wir aneinander.
Zu guter Letzt erwischte mich an diesem Tag bei unserem hin und her der Staubsauger. So unsanft, das ich anschließend keine Lust mehr auf weiteres Staubsaugen hatte.
Ich ging. Du bleibst verdutzt zurück.
Leider hatte mein Verhalten zur Folge, dass Du nur noch ungeduldiger wurdest. Wir befanden uns in einem Teufelskreis.
Ich konnte einfach nicht mehr und fing an zu schreien. Ich wollte doch endlich einfach nur ein paar Minuten Ruhe haben. Ohne das ich es noch wirklich kontrollieren konnte, wurde ich immer wütender. Du gucktest mich mit großen Augen an.
Plötzlich wurde ich mit einem Blick in Deine Augen unendlich traurig.
Ich war so unendlich müde. Unendlich müde von meinem gestrigen Arbeitstag. Unendlich müde und ausgepowert von all dem, was die letzte Woche angestanden hatte. Mit meiner unergründlichen Sehnsucht nach Ruhe hatte ich mich an diesem Tag immer weiter in eine Spirale hinein manövriert ohne das ich es beabsichtigt hatte. Es wurde immer schlimmer.
Und, dass Schlimmste? An diesem Tag gab es kein Happy End für uns. Sobald Du anfingst zu meckern, fühlte ich mich ausgelaugt und ausgepowert. Als Du Dich auch noch beim Einkaufen auf die Erde warfst und schriest, fühlte ich mich nutzlos und hilflos und wünschte mir nur , dass dieser Tag endlich enden würde.
Mein einziger Hoffnungsschimmer? Mein Abend vorm Fernsehen. Aber auch am Abend gab es keine Ruhe, denn Du wolltest nicht einschlafen. Ich musste mit Dir ins Bett gehen und das obwohl ich den ganzen Tag nur ein einziges Mal meine Ruhe haben wollte.
Als wir am nächsten Tag gemeinsam auf standen, tat mir mein Verhalten unheimlich leid. Wie konnte ich Dir nur solche Gefühle vermitteln? Es wäre doch meine Aufgabe gewesen unsere Situation zu entschärfen, stattdessen hatte ich mich immer weiter rein gesteigert. Meine Ruhe war am gestrigen Tag wie weggeblasen. Als am nächsten Tag alles wunderbar funktionierte, fragte ich mich beinah vorwursvoll, warum ich nur immer so schnell zu zerbrechen drohe?
Doch ich erinnerte mich mal wieder an die Worte einer tollen Begleitung unseres gemeinsamen Lebens, einer wertvollen Pädagogin. Sie erklärte uns, dass je mehr wir etwas lieben, desto saurer können wir werden, denn je wichtiger ist es uns!