Da stand sie, vor ihrem Sohn, der gerade die kleine Schwester gepikst hatte und wütete, was das Zeug hielt. In ihr tobte ein Sturm. Sie war so sauer auf das Verhalten des Sohnes, dass sie blind nach vorne raus schrie, was sie von diesem Verhalten hielt. “Unakzeptabel! Blöd. Dieses Verhalten ist wirklich nicht schön!” All das landete frontal im Gesicht des kleinen Mannes. Zu allem Überfluss löste sich der dicke Klumpen im Innern der Mutter nicht.
Die Wut wandelte sich in Traurigkeit. Die Sehnsucht im Innern der Mutter schrie bitterlich: “Warum kann ich nicht auch einmal wütend sein ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen?” Denn irgendwie merkte sie, dass ihr Verhalten nicht angebracht zu sein schien. Plötzlich spürte sie, wie sich die Wut in Trauer und damit in pure Selbstvorwürfe gegen sich selbst umwandelte. Diese Mutter bin ich. An einem der vergangenen Tage, in denen hier gar nichts so läuft, wie es soll. An Tagen, an denen er nicht zuhört – gedankenverloren viele Gläser Wasser umkippt und mir zusätzliche Arbeit bereitet.
Inhaltsverzeichnis
Diese Mutter bin ich!
Warum darf ich als Mutter nicht guten Gewissens wütend sein?
Plötzlich machte sich eine große Enttäuschung in mir breit. Über meine Reaktion. Über das, was sich da zwischen uns abspielte. Ich zog mich traurig zurück. Schrieb anderen Mamas, ob sie solche Situationen auch kennen würde. Bekam lauter Antworten in denen stand: “Ja, klar kennen wir das.” “Es ist richtig das Du durchgreifst. Es gibt ein Verhalten DAS geht nun mal nicht, das muss er lernen” “Zieh Grenzen, am Anfang ist es schwierig, aber er wird daraus lernen”
Zieh Grenzen!
All diese Ratschläge klangen plausibel, aber eins taten sie nicht – sie fühlten sich nicht gut an! Ich überlegte, woran es lag, doch, ohne das ich mich versah, begann der Konflikt zwischen dem Großen und dem Baby erneut. Nur Härter. Dieses Mal lief er unmittelbar mit dem Kopf auf sie zu. Ich schlug mir die Hände über dem Kopf zusammen. Voller negativer Gedanken dachte ich mir: “Er testet seine Grenzen aus – toll. Und nun?”
Samuel geh sofort in dein Zimmer!
Während er alleine in seinem Zimmer weinte, spürte ich plötzlich eine unendliche Traurigkeit. Mir kamen Zweifel. Ist das Durchgreifen wirklich das, was meine Kinder brauchen? Die letzten Wochen, in denen ich hart durchgegriffen hatte, wurde das Verhalten des Sohnes nur immer schlimmer. Er provozierte. Ich wurde unausstehlich. Zu Hause fühlte es sich NICHT mehr schön an. Überall in unseren vier Wänden hing die Luft von Ärger, Unverständnis und Selbstzweifeln.
Ohne das ich wusste warum, ging ich ins Kinderzimmer, um mich bei meinem Sohn für meinen Ärger zu entschuldigen. Setzte mich zu ihm auf den Boden, um ihm zu erklären, wie ich mich bei unserem Streit fühlte. Was mir bei seinem Verhalten durch den Kopf ging. Es tat mir leid, dass ich ihn so vor den Kopf gestoßen hatte. Statt bei ihm zu bleiben und diese Situation als das anzunehmen, was sie war, ein Hilferuf – schickte ich ihn weg und ließ ihn damit alleine.
Hatte ich versagt?
Ich hätte so viele Möglichkeiten gehabt, als hart durchzugreifen. Aus Angst vor genau diesem Abwehr Verhalten, dass sich einstellte als ich hart durchgriff – entschied ich mich für den falschen Weg. Stieß ihn weg, um ihn zu “erziehen” plötzlich verstand ich, worum es ging: natürlich darf ich sauer sein. Warum auch nicht? Es nützt nur nichts, denn die Wut entsteht nicht durch das Fehlverhalten des Sohnes. Diese tiefe Wut in mir spiegelt meine Unsicherheit wieder. Diese Gefühle, die ich nach außen richtete, frontal gegen den Sohn, sind MEINE eigenen Dämonen.
Beim letzten Streit, als er sich mal wieder nicht anziehen wollte. Ich aber soso dringend los musste, horchte ich direkt nach dem ersten etwas lauter werdenden Ton in mich hinein. Ich fragte mich: “Was ist wirklich Dein Problem?” Also entschuldigte ich mich und gab meinem Kind zu verstehen, dass es nicht seine Schuld sei. Dass es verständlich sei, dass er in dieser hektischen Situation nicht mit mir kooperierte, aber ich gerade ein wenig drauf angewiesen sei. Zum ersten Mal passierte etwas, womit ich niemals gerechnet hätte.
Er zog sich an.
Seit drei Wochen sage ich mir, natürlich darf ich wütend werden. Ich bin auch nur ein Mensch, warum sollte ich das nicht zeigen dürfen? Mir ist in meiner Rolle als Mutter wichtig authentisch zu bleiben. Aber ich merke recht schnell, dass uns meine Wut nicht weiter bringt. Ich schaue also genauer hin. Stört es mich wirklich, was da gerade passiert? Oder ist es nur ein gesellschaftlicher Zwang? Warum hat der Sohn gerade so reagiert? Warst Du unaufmerksam oder nur dem Geschwisterchen zugewandt? Musst du wirklich sauer werden, oder reicht es ihm die Situation etwas genauer zu erklären?
Ich dachte immer, wenn ich die Wut aus unserem Leben verbanne lernt mein Sohn niemals den richtigen Weg. Das ist vollkommen falsch gedacht. Wir Menschen haben schlechte Tage. Ich habe schlechte Tage. Wir sind wütend. ABER meine Kinder sind nicht für meine Wut verantwortlich.
Ab und an beschleicht mich das Gefühl, ich denke – sie wollen mir absichtlich Schaden zufügen. So ist es nicht. Sie leben. Kinder entdecken. Probieren sich aus. Haben gute Tage. Schlechte Tage. Wir, ihre Eltern sind ihre Wegbegleiter. Ihre Ventile. Ihre Stütze.
Auf diesem Weg darf ich als Mama natürlich wütend werden. Es nützt nur der Situation nichts! Es wird uns niemals voran bringen. Nur voneinander entfernen, wenn wir nicht lernen den richtigen Umgang mit unserer Wut zu finden. In diesem Sinne. Ich brauche jetzt frische Luft!
Eure Alina!