Ich erinnere mich noch gut an meine Gedanken kurz vor meiner ersten Geburt. An diesen grenzenlosen Optimismus, dass schon alles “gut” werden würde. Nichtsdestotrotz ließ mich von Anbeginn der Zeit die Angst vor einer Kaiserschnitt Geburt nicht los. Was wäre wenn? Wie würde es sich anfühlen? Würde es sich schlimm anfühlen, das Gefühl etwas so sehr gewollt zu haben und es am Ende nicht bekommen zu haben? Ein Kaiserschnitt ist in meinen Augen eine tolle Revolution der Medizin. Ein Weg, um Mutter und Kind in schwierigen, lebensbedrohlichen Situationen unter der Geburt zu retten. Die Mutter zu retten. Das Kind im Falle einer Komplikation auf bestem Wege, ohne gesundheitliche Schäden auf die Welt zu bringen.
Für mich war immer klar: Sollte ein Kaiserschnitt notwendig werden, ist es eine gute Option. Ich würde nie etwas zulasten meines Kindes erzwingen wollen. In solch einer Situation bist Du auf geschultes Fachpersonal angewiesen. Auf den richtigen Rat. Kompetenten Beistand, der dir signalisiert: Es wäre besser, wenn… Leider fehlt viel zu oft genau dieser Beistand unter der Geburt. Entscheidungen für die Sicherheit werden zu schnell getroffen. Oder, das krasse Gegenteil – Mütter sind unter der Geburt beinah gänzlich auf sich allein gestellt.
Inhaltsverzeichnis
Der Traum von einer natürlichen Geburt
Doch, was ist, wenn die Geburt vorüber ist. Alle wohlauf sind. Die richtigen Entscheidungen für das Kind getroffen wurden. Es kein Weg am Kaiserschnitt vorbei gab. Was ist, wenn am Ende alles, was bleibt, diese Narbe ist? Und das Gefühl, nicht genug gegeben zu haben. Körperlich versagt zu haben. Nicht gut genug für eine natürliche Geburt zu sein.
Was ist, wenn alle Hoffnungen auf eine natürliche Geburt verschwunden sind. Es keine Geburt mehr geben wird, die noch ein letztes Mal hoffen lässt? Bleibt die traurige Bilanz von zwei Geburten – zwei Kaiserschnitte? Was bleibt?
“Jeder, der sich die Fähigkeit erhält Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.”
Franz Kafka
Bei meiner zweiten Geburt. Bei der meiner kleinen Tochter Mia, habe ich gekämpft wie eine Löwin. 20ig Stunden bin ich auf und ab getigert. Kreiste mein Becken. Kämpfte mit zusammengebissenen Zähnen. Schaffte es letztendlich, dass sich mein Muttermund komplett öffnete. Nur leider war das Fruchtwasser bereits grün, die Herztöne der Kleinen an der Grenze und die Geburt hätte sich, da meine Tochter sich zum Sternenguckerkind gedreht hatte, noch mindestens sieben Stunden hinausgezögert. Es war den Ärzten zu risikoreich mit der alten Narben, der bereits verstrichenen Zeit, dem Gesundheitszustand der Kleinen, noch einmal auf Zeit zu spielen.
Die Realität? Kaiserschnitt
Sie schauten mich an – mit diesem traurigen Blick. Der Bewunderung für die letzten Stunden. Das Durchhaltevermögen. Mit der traurigen Gewissheit, dass das einzig vernünftige nun doch ein zweiter Kaiserschnitt werden sollte. Nass geschwitzt von den Strapazen wurde ich in den Operationssaal gegenüber gefahren, um nicht einmal eine halbe Stunde später mein wunderschönes Mädchen in die Arme schließen zu dürfen.
Nach diesem Tag blieb die traurige Gewissheit unendlich viel gegeben zu haben. Doch am Ende des Weges es wieder einmal nicht geschafft zu haben. Bei meinen späteren Erzählungen und der dramatischen Wende, dass es am Ende doch nicht für eine natürliche Geburt gereicht hatte, spürte ich diese Betroffenheit all jener, die eine natürliche Geburt erleben durften. Ich hörte all jene Floskeln, die gängigen Standardantworten: “Hauptsache gesund”, die mich doch stets nur an eins erinnerten, DASS ich nicht DIE Geburt erleben durfte, die diese Frauen erlebt hatten. Ich war anders.
Heute fragt keiner mehr nach der Geburt meiner Kinder. Was geblieben ist, ist die Narbe. Ein dünner, feiner Strich, der mich stets an zwei Momente in meinem Leben erinnern, wird in denen ich voller Hoffnung für etwas war. Situationen, in denen ich über mich hinaus gewachsen bin. Gekämpft habe, wie eine Löwin. Nie zuvor kann ich mich an solch einen Willen in meinem Leben erinnern. Nie habe ich etwas so konsequent durchgestanden, wie die Geburt meiner Kinder. Stets habe ich gekämpft bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Ärzte sagten: Es geht nicht mehr.
Mein Weg. Meine Entwicklung, dank der Geburt meiner Kinder!
Als ich gestern auf dem Stuhl des Zahnarztes saß. Meinen zweiten Termin der Wurzelbehandlung hinter mich brachte. Einem Ort, den ich immer gemieden habe. Aus Angst und Furcht vor Schmerzen. Dort schien ich gestern vollkommen entspannt. Es machte mir nichts mehr aus dort zu sitzen. Strapazen über mich ergehen zu lassen für gesunde Zähne. Plötzlich spürte ich, wie nie zuvor – seit den vergangenen Monaten, was wirklich geblieben ist – nach den Geburten meiner Kinder.
Es ist nicht die Narbe. Oder die Enttäuschung. Es ist die Erfahrung, an jenem Tag über mich hinaus gewachsen zu sein. Die Entwicklung weg vom Mädchen. Hin zur Frau. Heute schaue ich in den Spiegel, sehe eine junge Frau mit Biss und Durchhaltevermögen. Rückrad. Eine Frau, die mit zusammengebissenen Zähnen gekämpft hat. Für ihre Kinder, aber in aller erster Linie für sich selbst. Ich bin stärker als je zuvor. Ist das etwa nichts?
Wir müssen uns nicht dafür schämen es nicht geschafft zu haben. Oder für die Narbe. Wir haben es versucht. Haben UNSERE Geburt erlebt. Auch ein Kaiserschnitt ist eine Geburt. Vor allem aber – auch wir dürfen stolz sein. Auf das, was wir geleistet haben. DU kannst stolz sein. Ich kann es. Wir Mütter können es. Wer weiß, wofür genau dieser Weg am Ende der Richtige war!