Manchmal frage ich mich: “Was wäre, wenn mir der Mensch – vor mir, neben mir, hinter mir genau so viel bedeuten würden wie mein eigenes Kind?”
Ist dieser Gedanke im ersten Moment verrückt? Ist er im zweiten Gedankengang vielleicht ein liebevoller Weg um Hass aus unserer Gesellschaft zu verscheuchen. Würden wir uns im Alltag um unseren unmittelbaren Nachbarn vielleicht besser kümmern? Wir wären nicht mehr auf uns alleine gestellt. Überall wo wir stehen, gäbe es rechts und links Menschen, die dir helfen würden UND du würdest wissen “Du bist nicht allein”. Es war wohl letzte Woche als ich mir Gedanken über unsere politische Situation machte. All die Flüchtlinge, die fest sitzen. Menschen, die sich in Ihrem Heimatland nicht verstanden fühlen. Großer Zuspruch für politische Gedanken, die längst keinen Platz mehr in unserer heutigen Gesellschaft haben sollten.
Ich schaute intensiver auf unsere Welt. An einem lauen Frühlingstag strichen Samuel und ich durch einen Park, den Supermarkt um die Ecke und die U-Bahn um das Vorhaben umzusetzen. Auf unserem Weg begegneten wir unterschiedlichen Menschen. Im einen Moment schauten wir in hoffnungsvolle Gesichter, Menschen, die das Lachen eines Kindes so sehnlich in sich aufsaugten, wie der Duft eines Frühlingsmorgens, auf der anderen Seite trafen wir Menschen, die uns argwöhnisch, voller unerklärlicher Gefühle gegenüberstanden. Auf meiner Arbeit beobachtete ich paar Wochen später dieselben unterschiedlichen Reaktionen der Menschen. Jeder Mensch reagierte anders auf sein Gegenüber, eins hatten sie alle gemeinsam – sie sehnten sich nach Beachtung.
Ab und an denke ich an den Tag zurück der mich zu diesem Menschen gemacht hat, der ich heute bin. An den Verlust, der mir meine heile Welt genommen und meine Naivität in Realismus umgewandelt hat. Eins war ich das kleine Mädchen, das die ganze Welt verändern wollte. Das kleine Mädchen kannte keine Angst vor dem bösen unbekannten Tod. Es kannte keinen Hass. Bis der Tag kam, als sie von mir ging. Meine Welt, meine geliebte Oma all das, was ich brauchte, um glücklich zu sein. Sie, die Frau, die mich stets an der Hand nahm. Jeden noch so schwierigen Weg bestritt sie mit mir. Ihre Krankheit besangen wir mit den großen Worten naiver Mädchen: “I am a big big girl” Da standen wir einst vor dem Fenstersims und glaubten an das ewige Leben. Plötzlich als ihre Stimme für immer verstummte blieb nur noch ich zurück mit dieser leeren Hülle von gestern.
Noch heute vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an sie denke. An dem ich versuche mich an ihren Geruch, ihre Art und das Gefühl ihrer Liebe zu erinnern. Das vermissen bleibt, der Schmerz hat sich in Gewohnheit verwandelt. Sie ist von mir gegangen, als ich ein Teenager war – als junge Frau durfte sie mich nicht mehr kennenlernen. Das ist es, was ich mir wünsche. Sie, wie sie in die bezaubernden Augen meines kleinen Sohnes schaut. Sie, wie sie auf mein Leben schaut. Auf meine Hände wie sie gelernt haben anderen Menschen zu helfen. Sie wäre stolz auf mich. Sicher doch, doch zu gerne würde ich dieses Gefühl nur einmal in Ihren Augen glitzern sehen. Nur noch dieses eine mal.
Verbittert bin ich nicht geworden. Ein böser Mensch bin ich nicht, doch das Gefühl, dieser einmalige Schmerz eines schlimmen Verlustes ist geblieben. Ja, er hat mich sogar verändert. Dieser Schmerz hat mich nicht härter gemacht, eher weicher und ängstlicher. Seit diesem Tag lebe ich ängstlich intensiv, doch der Kreis der Lieben ist kleiner geworden. Sicherer! Es gibt wenige Menschen, die ich in meinen Kreis der zu liebenden lasse. Alles Fremde ist so furchtbar unsicher.
An einem Tag, der so plötzlich kam wie der Sommeregen über einen lauen Sommertag, wagte ich das Experiment. Ich erweiterte meinen Kreis, indem die Menschen um mich herum so wichtig wurden wie meine eigene Familie. Ich suchte mit einer älteren Dame das Marmeladen Regal mit dem gleichen Willen wie, wenn ich auf der Suche nach diesem Glas gewesen wäre. Im Straßenverkehr wurde ich relaxter. Im Wesentlichen geriet der Fokus mehr auf das große Ganze. Die Menschen lächelten viel zu, der Tag wurde immer schöner, je mehr Menschen wir in unsere Mitte mit einbezogen. Das Fazit der gesamten Woche bestand darin, dass ich mich um 85 % weniger aufregte.
Selbst wenn wir zu dem Menschen gegenüber keinerlei Bindung aufweisen, ist er Teil unser Gesellschaft. Hast du Lust einen Obdachlosen an der Ecke danach zu fragen was er gerne essen oder trinken würde? Oder lach doch mal die Frau, die dich von der Seite anschnauzt freundlich an und wünsch ihr einen schönen Tag. Ja, es erfordert viel Kraft. Am Ende eines Tages bist du mit deinen Situationen im reinen. Nichts wird dir nachlaufen. Die Belohnung dieses Experiments wird sein, dass du glücklich bist! Lass nicht zu das unsere Gesellschaft im Hass versiebt. Gib nicht auf, wenn einer in deinem Kreis Hass verbreitet. Am Ende sind wir drei die es besser wissen. Aufhören an unsere Welt und das Gute zu glauben werde ich nicht, denn wir sind immer noch in der Mehrheit! Hast du Lust es auszuprobieren? Erzähl es uns!
Eure Alina!
Wirklich wundervolle Gedanken! Wenn wir nur in unserem kleinen Umfeld mehr Liebe und weniger Hass säen, bringt das eine Menge Gutes mit sich! =)