Vor zwei Tagen hatten wir hier zu Hause einen für mich wirklich schlimmen Streit. Wegen Nichtigkeiten im Grunde und doch hat er viel mit mir gemacht. Auch im Nachhinein. Jetzt kann ich sagen, was es ist. Obwohl sich mein Kopf immer noch leer anfühlt. Ich sitze schon seit Minuten vor dem Rechner und mir möchte nicht genau einfallen, was ich eigentlich schreiben möchte. Ich weiß nur, es ist wichtig all das, was die letzten zwei Tage mit mir passiert ist in Worte zu fassen. Alles fängt mit einer unfassbaren Wut an, weil ich am Tag selbst viel zu viel über meine Grenzen gegangen bin. Ich hätte mich viel früher zurückziehen sollen und sagen sollen, das reicht jetzt. Ich kann gerade nicht mehr. Etwas Selbstfürsorge betreiben und meine emotionale Ampel, die längst auf Orange war, erst einmal wieder in Grün bringen.
Werte & Bedürfnisse
Wie bringe ich meine emotionale Ampel von orange zurück in Grün? Damit befasse ich mich ohnehin schon seit Monaten. Zunächst habe ich für mich erspürt, was eigentlich meine Werte und Bedürfnisse im Alltag sind. Was ist mir eigentlich wichtig? Nach vielen Tagen kam ich immer mehr dahinter, dass ich im Alltag gegen meine Werte leben. Meine Werte scheinen zu seiner Gemeinschaft, Geborgenheit und Nähe. Ich tat aber eher alles für Erfolg, Verantwortung und Verbindlichkeit und wunderte mich ständig, warum ich mich so einsam fühlte. Ja, natürlich, weil Geborgenheit und Nähe mir das wichtigste sind. Ich tat nur nichts dafür. Aus diesem Grund ist mir das Arbeiten in einem Team auch so wichtig. Einfach, weil genau, dass mir Kraft schenkt. Diese Erkenntnis half mir sehr dabei herauszufinden, was mir im Alltag hilft runterzufahren.
Akute Hilfe
In Notsituationen helfen sie jedoch nicht mehr. Da muss irgendwas her, was akut aus der Situation herauszieht. Bei mir ist es eigentlich mein Grapefruit-Duft, den ich immer in meiner Tasche habe. Merke ich, dass ich in Not komme, tröpfle ich ein bis zwei Tropfen auf meine Hand, verreibe sie und halte sie mir an mein Gesicht. Es muss jedoch wirklich geübt werden. Kaltes Wasser über die Hände fließen lassen könnte auch etwas sein, was hilft.
Doch nicht nur andere Menschen können einem Nähe und Geborgenheit schenken. Auch wir selbst. Es sich gemütlich machen mit einem leckeren Tee, einem schönen Buch oder einem heißen Bad hilft mir immer mich wieder zu erden. Oder auch einer meiner liebsten Dinge: ein Waldspaziergang alleine oder mit einer lieben Freundin. Das sind alles Dinge, mit denen ich unseren Konflikt erst einmal hätte pausieren können. Vor allem, weil es um nichts Akutes ging.
Ich hielt aber dran fest. Solange, bis ich irgendwann zusammenbrach. Hinterher ging ich zum ersten Mal in die Reflexion und merkte auch, wieso ich nicht locker gelassen hatte. Ich war traurig. Ein Satz meines Partners löste dieses Gefühl in mir aus. Statt die Traurigkeit zu begrüßen und ihr einen Ort einzurichten. Sie da sein zu lassen und zu schauen, warum machte mich gerade dieser Satz SO unfassbar traurig, versuchte ich sie zu verdrängen. Ich wollte sie nicht spüren. Sie musste weg zu allen Mitteln, die ich zur Verfügung stehen hatte und so ging ich den Weg, den ich bisher immer ging, wenn ich traurig war. Ich wütete aus Angst, ich würde die Traurigkeit gleich alleine aushalten zu müssen.
Vielleicht kennt ein Anteil in mir diese Traurigkeit und wurde mit ihr nicht ernst genommen? Vielleicht wurde ich früher auf mein Zimmer geschickt, wenn ich traurig war oder ich verknüpfe einen Notzustand damit. Es kann viele Gründe haben. Auf jeden Fall wurde das Kind in mir nicht begleitet mit dem Gefühl Traurigkeit und mir wurde nicht gezeigt, wie ich damit konkret umgehen kann, denn deswegen macht es mir so eine große Angst, dass es sobald es ansatzweise hochkommt weg muss.
Meine Angstriesen
Am Ende wurde aus einem Gefühl eine riesige Notsituation für mich, denn die Wut übernahm am Ende und zeigte mir: STOPP, jetzt hier. Es gibt hier etwas, dass du dir anschauen musst. Meine Wut half der Traurigkeit, gesehen zu werden und nicht weiter ignoriert zu werden.
Seitdem lecke ich quasi meine Wunden. Ich merke immer wieder, wie ich in den Modus zurückfallen möchte und das Gefühl verdrängen möchte. Fernsehen, Alkohol, Zigaretten, Aktionismus sind alles Dinge, die wir in solchen Situationen im Laufe unseres Lebens als Ressourcen entwickelt haben, um mit diesen unangenehmen Gefühlen umgehen zu können im Alltag. All diese schlechten Ressourcen dienen uns aber nicht. Ganz im Gegenteil. Und vor alle lösen sie das Problem nicht auf. Schauen wir nicht, wir genau diese Situation wieder passieren. Wir müssen hinschauen und verstehen, worauf uns das Gefühl aufmerksam machen möchte. Erst dann! Haben wir eine Chance darauf, dass wir beim nächsten Mal anders reagieren. Für uns ist das lebensnotwendig, dass wir endlich lernen anders damit umzugehen, denn auf Dauer ist unser Körper und Geist dadurch im Dauerstress. Übergewicht ist zum Beispiel eine Folge davon. Gefühle wollen gefühlt werden.
Und weil ich genau diesen Kreislauf endlich durchbrechen will, schaue ich jetzt hin.
Hallo Traurigkeit. Komm rein. Setz dich doch. Was brauchst du? Ich bin da. Ich sehe dich. Ich kümmere mich um dich.
Das ist nicht leicht. Es ist Arbeit. Was dabei rauskommt? Ich weiß es noch nicht, denn ich habe es noch nie zuvor versucht, aber um es mit den Worten von Pipi Langstrumpf zu beenden.
Ich habe es noch nie zuvor versucht. Also bin ich ganz sicher, dass ich es schaffen werde.
Einen beruhigenden Duft wie Grapefruit in der Tasche zu haben, ist eine gute Idee. Schnelle Lösungen für schwierige Momente können den Unterschied ausmachen