Lebensgeschichte | Mein Wendepunkt

PERSÖNLICHE GEDANKEN

Hier sitze ich. An meinem Schreibstich in meinem kleinen Arbeitszimmer, während vor mir der Wind durch die Blätter fegt. In meinem Kopf so viele Gedanken. Mein Herz voller Gefühle und doch findet keins dieser Gefühle so recht Zugang zur Außenwelt. Es fühlt sich an wie ein Knoten, der alles blockiert. Da sind so viele Fragen. Ängste. Sehnsüchte und irgendwie erscheint aktuell alles so vergänglich. Ist es unsere Zeit? Die ständige Konfrontation mit Krankheit und Tod? Mein gerade kürzlich vorüber gezogener Geburtstag oder die Tatsache, dass ich auf ein Alter zugehe in dem man von jungen Menschen wahrhaft alt wahrgenommen wird?

HIER stehe ich

Vor wenigen Tagen feierte ich meinen 32. Geburtstag. Habe einen Beruf, den ich mal mehr und mal weniger gerne mag, aber an sich bin ich mit dem wo ich berufliche stehe zufrieden. Ich helfe Menschen. Und ich helfe nicht nur ihnen in ihren Alltagsdingen, sondern ich zeige auch der Gesellschaft Tag für Tag mit meiner Arbeit und meinem Umgang mit psychisch kranken beziehungsweise behinderten Menschen, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind. Genau so wie du und ich. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich damit unsere Gesellschaft ein Stück weit besser mache. Bunter. Lebendiger. Offen und ja, ich habe auch das Gefühl, dass ich mich selbst mit meiner Arbeit ein Stück weit besser mache. Das mag ich.

 

Meine Partnerschaft

Privat geht alles seinen ruhigen und gewohnten Gang. Ich liebe meinen Partner wie verrückt. Auch nach fast 10 Jahren noch. Zum ersten Mal in meinem Leben, vor allem wenn es um die Frage nach einem weiteren Kind in unserer Beziehung geht, merke ich, dass ich bereit bin für ihn zu verzichten, wenn es denn sein muss. Das habe ich noch nie gut gekonnt und wenn ich wirklich ehrlich zu mir bin, auch noch nie gewollt und daher alles immer einfach gemacht. Wenn ich in den Urlaub möchte, dann fahre ich. Zur Not auch alleine. Wenn ich umziehen will, dann setze ich ein Ultimatum oder bocke wie eine kleine sture Prinzessin, die man in ihrem Stolz gekränkt hat. In diesen vergangenen fast 10 Jahren Partnerschaft mit meinem Liebling habe ich viel über mich gelernt. Über das Geben und Nehmen. Höhen und Tiefen… Sinn und Unsinn… Ich bin gewachsen. Wir gemeinsam und aneinander. Auf das was wir, im wahrsten Sinne geschaffen haben, bin ich unfassbar stolz. Nicht, weil wir DIE wahre Liebe nach außen repräsentieren. Nein, deswegen nicht. Ich bin stolz, weil ich einen Mann an meiner Seite habe, der mich wirklich glücklich macht.

Ich hatte beziehungsweise habe einen Vater als Vorbild, der mir alles in meinem Leben geschenkt hat. Es war nicht alles immer perfekt in unserer Vater-Tochter Beziehung, aber es war echt und seine Liebe für mich ist es noch. Er sieht mich, noch heute, mit diesen Augen an, die mir zeigen wie sehr er mich schon als kleines Kind vergötterte. Und dafür bin ich ihm zutiefst dankbar. Dankbar dafür, dass ich Menschen an meiner Seite hatte und habe, die mich wirklich wahrlich und wahrhaftig von ganzem Herzen lieben für die DIE ich bin. Ich werde immer sagen können „JA, ich wurde geliebt und das nicht einfach, weil ich da bin, sondern ich wurde geliebt wegen meiner selbst. Weil ICH bin, wie ICH bin“ Im Grunde, gibt es kein schöneres Geschenk?

Und doch ist da dieser Wermutstropfen in meinem Leben. Meine Kindheit und die Erfahrungen mit einem Mann an meiner Seite aufgewachsen zu sein der so viel Boshaftigkeit und Missgunst in mein Leben brachte, dass es streckenweise schwer auszuhalten war. Nicht weil er mich nie lieben oder als Teil seiner Familie akzeptieren konnte, sondern weil er mit seinen Taten meinen Glauben an die wahre Liebe erschütterte. Meine Eltern schafften es nicht sich zu lieben und meine Mutter und ihr neuer Partner nur auf eine mir unverständliche Art und Weise. Trotz meiner Erfahrungen von Gewalt und Betrug blicke ich auf gute, schlechte, turbulente und lehrreiche 10 Jahre Partnerschaft zurück aus der zwei Kinder entstanden sind. Ich blicke auf eine Beziehung, die besteht und vor allem immer besser wird mit jedem weiteren Tag an dem wir erneut an uns als Paar Arbeiten. Wir arbeiten hart, aber wir wollen es, weil wir UNS wollen.

So gerne würde ich all die schlechten Erfahrungen hinter mir lassen. Ich kann meine Vergangenheit nicht ändern. Jetzt, bin ich in Sicherheit. Bin nicht mehr abhängig von anderen Menschen, die auf mich aufpassen, müssen sowie es war, als ich ein kleines Kind gewesen bin. Schutzlos. Jetzt nicht mehr. Ängstlich noch viel öfter. Jetzt nicht mehr. Aber vor allem eingeschüchtert. Das bin ich oft gewesen unter dieser Riesen großen Fassade, die ich mir bereits mit vier Jahren zulegte. Mit vier Jahren erlernte ich einen Weltblick, wie eine junge Erwachsene. Kann das gut gehen? Na ja. Ist es irgendwie, denn eins kann ich aus meiner eigenen Kindheit sagen: erlebt man Gewalt innerhalb der Kindheit, verliert man seine Naivität, die glaube ich Kinder brauchen, um typische Kinder sein zu können, sehr früh. Ich habe früh gelernt, dass man Angst hat im Leben. Das war kein böser Albtraum, in dem später jemand kam und sanft meine Stirn streichelte, währen jemand in leisem Flüsterton mir die Gewissheit gab: „Es war nur ein Traum mein Kind. Schlaf ruhig weiter.“ Meine Erlebnisse waren echt. Manchmal habe ich mich gefragt, ob da wohl noch jemand ist, der mich da herausholen kann, aber da war niemand. Es war einfach niemand da, der mich beschützt.

Wurde ich wach, war da wirklich Gefahr. Angst. Nicht gefiltert, sondern pur und real. Mit vier Jahren lernte ich, dass Männer andere Gesichter haben können. Der Flucht manchmal der einzige Ausweg ist um geschützt zu sein und dafür die Dunkelheit der beste Zeitpunkt ist. Ich lernte mit vier Jahren, in einem Alter in dem gerade meine Kinder davon ausgehen, dass das schlimmste das ihnen auf der Welt je passiert, seinen Willen nicht sofort zu bekommen. Im gleichen Alter lernte ich, dass meine Haustiere in nur einer verheerenden Nacht nicht mehr meine Haustiere sein würden, weil sie durch einen Wurf an die Wand zermatscht auf unserem Fußboden lagen. Ich lernte, dass das Leben binnen weniger Sekunde ohne mir ersichtlichen Grund durch Gewalt vorbei sein konnte. Abschied nehmen ohne Grund. Ohne Trauer, denn Gefühle bieten Angriffsfläche. Mit vier Jahren lernte ich die Trauer die größte Schutzlosigkeit bietet. Mit vier Jahren stellte ich mich vor meine Mutter und sagte STOPP zur Gewalt und ich glaube in genau diesem Moment sagte ich mir bereits selbst, dass ich niemals von einem Mann abhängig sein werde. Mit vier Jahren traf ich die Entscheidung welches Leben ich einmal führen wollte und dass mich niemals ein Mann seinen Besitz nennen würde.

Ich lernte, dass in Sicherheit zu sein, auch wenn es nur für zwei Tage war AUFATMEN bedeutet. Schlaf nachholen. Ich lernte, wie unfassbar schön es ist zu schlafen. Wie erholsam. Ich bekam einen Hauch einer Ahnung wie schön es sein könnte ein Kind sein zu dürfen. Wochenende bei meinem Vater. Doch wenn ich zurück nach Hause kam, ging ich zurück in meine eigentliche Realität. In mein Leben. In das Leben, indem ich lernte wie es sich anfühlt ein Störenfried zu sein. Nicht zu passen, aber nicht weg zu können. Nicht gewollt zu sein als Kind und keine Wahl zu haben, um sich einen Platz zu suchen, an dem man doch gewollt ist, weil dass das einzige ist, was man sich doch so sehr wünscht als Kind. Ich lernte was es bedeutet zu flehen. Nicht um Puppen oder Geschenke, sondern nur um ein normales Leben. Ich flehte darum, bettelte, kniete und weinte Tränen darum endlich gesehen zu werden.

 

Ich bin doch auch noch da. Warum seht ihr mich denn nicht?

Ich kann es nicht mehr ändern. Bin kein Einzelfall und sicherlich nicht der Schlimmste. Im Grunde sind es nur ein paar wenige Monate meines ganzen Lebens, in denen es wirklich schlimm gewesen ist. Und doch scheint das Gefühl „Ihr seht mich einfach nicht.“ etwas zu sein, dass ich noch heute sehr präsent fühle, sobald wir zu Hause Streit haben. Dann ist es da. So hart. So schmerzlich. So als wäre ich wieder da, wo ich einst war.

Aus diesem Grund ist es dann doch irgendwie noch wichtig für mich, auch wenn ich es nicht mehr verändern kann SO kann ich doch an den Konflikten mit meinen Kindern etwas ändern. UNd ich denke dies wird mir nur gelingen, wenn ich genau dahin schaue. Jedes Jahr zu meinem Geburtstag ist dieses ganze Wirr Warr sehr präsent. Allen voran die Angst, dass es anderen Kindern auch so ergehen könnte. Da kommt mir manchmal der Gedanken, das ich statt “Es ist alles gut. All diese Erfahrungen haben mich zudem gemacht, die ich heute bin.” vielleicht viel öfter sagen sollten “Nein, es ist nicht alles gut. Das war schon ziemlich scheisse.”

In dem wir dem ganzen dadurch wirklich auch einen bedrohlichen Charakter auferlegen schaffen wir es vielleicht irgendwann Menschen dazu zu sensibilsieren, wie verletzlich am Ende eine Kinderseele ist. Ich für meinen Teil hatte das Glück von manchen Menschen wirklich wahrlich geliebt zu werden, so wie ich war. Heute glaube ich, dass mir diese Bindungen mein Leben retten.

Vielleicht ist und war wirklich nie alles gut. Vielleicht ist es an der Zeit zu sagen, dass es mies war. Und vielleicht ist die Wahrheit nun endlich mein Weg nach vorne.
JA. Es ist genug. Es war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Ich habe des Friedens Willen viel zu oft gesagt „Es ist schon okay.“  Jetzt ist es genug.

 

 

 

 

Wenedepunkt
Hallo, 32, schön, dass DU da bist. Ich freu mich auf Dich.

 

 

 

Tags: Alltagsheldin, Bewusst Leben, Gedankenzauber, Leben

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Ich bin 34 Jahre jung. Mama von zwei Kindern. Einem Sohn (01/14) und einer kleinen Tochter (08/16). Gemeinsam leben wir am Stadtrand von Köln. Streifen durch die Wälder, kochen, backen und tanzen zusammen. Meinen Blog gründete ich an einem kühlen Februarmorgen im Jahr 2014, als ich nach der Geburt meines ersten Kindes wieder einmal dachte: "So wir mir, geht es sicherlich vielen anderen Eltern da draußen, wieso spricht denn keiner darüber?" In diesem Augenblick traf ich den Entschluss und offenbahrte meinem Partner: "Liebling? Ich blogge - jetzt!" und das war die Geburtsstunde meines Mamablogs. Schön, dass Du den Weg zu mir gefunden hast!
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