Gestern noch über den Druck von außen geschrieben, beugt er mich heute so heftig in die Knie, wie lange nicht mehr. Ich habe meine Kinder richtig heftig angeschrien und diese Reaktion hat so einiges in mir ausgelöst. Erstens: Fehler passieren, aber sie sollten nicht wieder passieren. Zweitens: Ich möchte lernen hinzuschauen, und zwar so richtig, denn eins weiß ich – der Konflikt mit meinem Kind ist nicht in ihrem Wesen begründet, sondern liegt einzig und allein an mir selbst.
Häufig habe ich Stress, weil ich meine ein Bild von Familie leben zu müssen, das echt verdammt anstrengend ist. Perfekter Haushalt, genügend Spielzeit mit meinen Kindern, Arbeiten, Partnerschaft, Bastelangebote und Waldtage sind davon nur einige Prioritäten auf meiner Liste. Und dann räumen die Kinder ihren Teller nicht einmal in die Küche, wobei ich doch wirklich schon ALLES für sie mache. Ich habe eine Erwartungshaltung, was meine Kinder zu tun habe und habe Antennen aus Angst und Sorge, die anspringen, wenn sie dies nicht tun. Hinzu kommt das Gefühl, dass ich doch auch endlich mal gesehen werden möchte, aber stattdessen machen sie es einfach nicht und sagen mir noch unmittelbar in mein Gesicht: „mach es doch selbst!“ Sie helfen mir nicht. Sie sehen mich nicht. Ich glaube, für mich ist dieses Gefühl mitunter am schwersten zu ertragen. Da muss man schon arg in seiner Mitte sein, um seine Bedürfnisse so klar definiert zu haben, dass es diesen Bedürfniskampf innerhalb der Kernfamilie nicht gibt, denke ich.
Doch bei all diesen Alltagssituationen mit meinen Kindern bin ich zwar angespannt, aber nicht laut. Gestern dann aber der Ausbruch meiner Gefühle, wie man es sich so vorstellt, wenn Mama die Kontrolle verliert. Ich möchte diesen Konflikt jetzt nutzen, um aufzuarbeiten, was da gestern passiert ist und worum es wirklich geht?
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Inhaltsverzeichnis
Eltern-Kind-Konflikt
Das liebe morgendliche und abendliche Drama!
Die Situation begann wie folgt:
Ich weckte meine Mäuse beide gegen sieben Uhr. Eine Stunde haben wir dann Zeit um pünktlich aus dem Haus zu kommen. Vor sieben Uhr versuche ich es immer wieder sie zu wecken, aber sie drehen sich nur von der linken Körperhälfte auf die rechte. Um sieben Uhr sind sie erwacht. Klamotten habe ich bereits am Vortag gemeinsam mit ihnen herausgelegt. Ich sage ihnen:
„Zieh dich bitte an und komm danach runter zum frühstücken.“
NEIN! Ich möchte heute nicht in die Schule.
Ich möchte in den Kindergarten, kommt es von der anderen Seite.
Ja gut. Dann ziehen wir dich schon mal an.
NEIN.
Wieso nicht? Du möchtest doch in den Kindergarten? Soll ich dich im Schlafanzug bringen?
NEIN.
Dann Zähneputzen schon mal.
NEIN.
Haarkämmen.
NEIN.
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Spätestens dann brodelt bereits der kleine Zornesdrache in mir. Ich erinnere mich an all die NEINS der vergangenen Woche und an all die Situationen wo ich hilflos da stand, wie ein Idiot und meine Kinder sich quer stellten und mir damit mein Leben schwerer machten, als es sein musste. In mir kommen die Gefühle all dieser NEINS wieder hoch und PUFFF ist der ZORN perfekt. Jetzt kenne ich kein halten mehr und sage, DOCH, UND ZWAR JETZT. Ich ziehe sie an. Ich kämme ihre Haare und sage ihr, dass sie jetzt sofort ihre Zähne putzen MUSS. Sie macht alles mit, aber weint und in mir denke ich nur warum tut sie mir das alles an? So viel tue ich für meine Kinder. Wir müssen doch los. Warum sehen sie nicht, dass WIR DAS TUN MÜSSEN.
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Die Fahrstuhlübung aus “Erziehen ohne Schimpfen”
Brechen wir den Konflikt einmal runter wie einen Fahrstuhl, könnte er so aussehen:
- Mein Kind will sich nieeeee fertigmachen.
- Mein Kind sagt immer nur nein!
- Sie stellt sich gegen alles.
- Immer geht es um sie.
- Wo bleibe ich bei all dem?
- Ich WILL auch mal NEIN sagen dürfen.
- Wieso muss sie mir das antun?
- Ich weiß nicht mehr was ich tun soll?
- Sie hat etwas Besseres verdient als mich.
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Was steckt hinter dem Konflikt mit meinem Kind wirklich für ein Gefühl?
In diesem Konflikt „will sich nieee fertigmachen“ ist offensichtlich viel mehr verankert, als nur das augenscheinliche Problem der Situation. Es geht nicht um den Augenblick als solchen, sondern es geht um MICH. Es geht darum, dass ich gesehen werden möchte. Ich möchte „nein“ sagen können und fühle mich nicht als gut genug in der Rolle als Mutter. Diese Gefühle dürfen jetzt hochkommen und dann kann ich lernen an mir zu arbeiten bzw. daran, wie ich mein Leben verändere, dass ich diese Gefühle ziehen lassen kann. Der erste Schritt ist und bleibt – sich seiner Gefühle bewusst zu werden. Sage ich, dass Kind ist das Problem Verschieben ich nur die Verarbeitung auf ein aussichtsloses Ende, denn so lange ich nicht bei mir anfange, wird sich dieser Konflikt in meinem Leben nicht verändern und schon nicht auflösen. Ich bin es, die sich verändern muss. NICHT mein Kind.
Als ich rückblickend auf die Situation zurückblicke, denke ich mein Kind äußert mein so sehnliches erwünschtes NEIN. Dieses NEIN, das ich in meinem Leben so oft in die Welt hinausbrüllen möchte. Sie ist mein Spiegel und offenbart mir meine größte Schwachstelle.
Es geht auch anders
„Guten Morgen mein Schatz. Ich habe unten dein Frühstück vorbereitet. Cornflakes, die du dir gestern beim Einkaufen ausgesucht hast. Soll ich dich auf meinem Arm runtertragen und wir werden erst einmal gemeinsam wach?“
„Ja, Mama.“
Mein Kind kuschelt sich verschlafen in meine Arme, während ich sie auf meinem Arm runtertrage und an den Frühstückstisch setze.
„Ach schau mal, da sind ja freche Nilpferde, die dein Essen wegessen wollen, wie frech. Komm die vertreiben wir gleich mal gemeinsam und sagen zusammen laut NEIN.“
Mama sagt laut „NEIN, das ist nicht euer Essen.“
Lachen und Freude am Tisch.
Nachdem essen hole ich die Klamotten, die wir gestern gemeinsam herausgelegt haben. Zauberspray für die Haare und ihre Zahnbürste. Sie möchte mir jetzt zeigen, wie sie sich selbst anziehen kann. Heute habe ich etwas mehr Zeit eingeplant und schaue ihr interessiert zu. Im Anschluss zaubern wir ihre Haare glatt. Zähneputzen möchte sie nicht. Ich frage sie, ob es einen Ort gibt, wo sie dies machen möchte, denn Zähneputzen ist sehr wichtig, damit wir all die leckeren Sachen, die wir so gerne essen, ohne Schmerzen essen können. Sie schaut mich mit großen Augen an und sagt: „Ich putze im Auto, okay Mama?“ „Ja, mein Kind. Das finde ich eine gute Idee.“
Das kann schon mal passieren
Nicht jeder Morgen ist SO, aber wenn er nicht so ist, ist es wichtig, finde ich, dass wir uns selbst unseren Druck nehmen. Ungekämmte Haare sind okay. Mal zu spät kommen ist blöd, aber menschlich. Wir sollten akzeptieren, dass wir Fehler haben dürfen und nicht perfekt sein müssen, um zu bestehen. Ein „das kann schon mal passieren“ hilft bei meinem Kind bei den tausend umfallenden Wassergläsern am Tag, aber auch bei uns. Denn ja, das kann schon mal passieren.
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