Stadtleben mit Kind

Schon lange brennt es mir auf der Seele, doch so allmählich halte ich es nicht mehr aus hier weiter untätig zu sitzen und nichts zu tun. Viele Briefe wollte ich schon aufsetzen doch am Ende hat meine menschliche Courage gesiegt. Ich wohne mit meinem kleinen Sohn in Mitten der Großstadt. Wir waren von vorne rein auf laute Geräusche, Abgase und Menschen die kein zu Hause besitzen eingestellt doch was uns erwartete überstieg meinen Horizont des Möglichen.

Leben in der Stadt

Wir wohnen in einem gesitteten Haus, das sich unmittelbar auf den Kölner Ringen befindet. Einem Haus in dem die Eigentümer eher älter und wohlhabend sind. Wir hatten großes Glück, denn wir bekamen die Wohnung, meines Stiefvaters für nicht viel Geld überlassen. So wohnen wir in einem wirklich schönen Haus mit netten Leute, gebildet, dem etwas älteren Semester zuzuordnen, einer Familie mit Kind, ein paar Hunden, hier und da ein Single und unter all jenen findet man irgendwann uns.

Als wir uns die Wohnung anschauten sahen wir eine wunderschöne, geräumige zwei Zimmer Wohnung im sechsten Stock. Ruhig gelegen mit einer schönen Dachterasse in meiner Heimat Köln. Ein Traum für jeden Ur – Kölner in mitten seiner geliebten Stadt solch eine Wohnung, sogar mit Dachterrasse zu finden. Meine Devise war es immer, das es dem Kind gut geht, wenn es mir auch gut geht und das ist hier so.

Wir zogen ein und genossen die unbeschwerte Zeit. Die Nähe zum Trubel und die Nähe zum Leben. Ich liebe die Großstadt. Direkt um die Ecke ist ein wundervolles Kinder Café indem demnächst sogar das ein oder andere Bloggerevent stattfinden wird. Ich liebe all das. Und damit meine ich nicht, das ich all das mag. Nein, ich liebe es. Ich vergöttre die Zeit in der ich einfach vor die Tür fallen muss und unmittelbar im Leben stehe. Ein paar Minuten und schon bin ich im nächsten Park an dem alles stattfindet. Lach Joga, Fitness Mama Kurse, Grillen unter Freunden, Studenten treffen sich, Open Air Partys. Hier findet du alles was das Herz begehrt.

Erfahrung mit dem Landleben

Als ich auf dem Land wohnte war genau das mein größtes Problem, die Isolation. Ich fühlte mich abgeschottet, unglücklich und im Stich gelassen. Ich war einfach nicht mehr glücklich und konnte mich nicht mit den Dingen dort identifizieren. Es passte nicht zu mir und meiner Wesensart. Ich isolierte mich beinah selbst jeden Tag ein Stückchen mehr indem ich kaum noch den Müll vor die Tür brachte und immer mehr darauf achtete schnell von der Tür ins Auto zu springen um bloß keinen zu Gesicht zu bekommen. Es ging mir irgendwann nicht mehr gut. Ich klammerte wahnsinnig an meinen Freund fest und hatte große Verlustängste, wenn er mich mal einen Abend alleine ließ. Fühlte ich mich unwahrscheinlich einsam und von der Welt im Stich gelassen, dabei hatte ich mir all das selbst ausgesucht, weil die Mieten auf dem Land so preiswert waren. Und doch konnte ich mich nie mit dem Landleben identifizieren.

Heute lebe ich in der Stadt und bin glücklich. Wäre da nicht dieses eine große Dilemma.

Mein persönliches Dilemma in der Stadt

Als wir hier hin zogen bekamen wir relativ zeitnah mit, dass der Automat vor unserer Tür kein gewöhnlicher Automat war, sondern ein sogenannter “Spritzen” Automat gestiftet von der Aids Hilfe. Relativ Zeitnah geschah es das wir die Tür verlassen wollten und drohten in ein Meer von Spritzen zu fallen. Sie waren mit Blut verschmiert und lagen unmittelbar vor unserem Hauseingang. An anderen Tagen kam es vor das unser Auto voll mit Blut beschmiert war und an wieder anderen Tagen die ganze Haustür mit Blutflecken.

Im Sommer ist es keine Seltenheit, dass sich die “Bedürftigen” unmittelbar vor unserer Haustür, auf der nahegelegenen Wiese, ihre nächste Ration verabreichen und im anschluß dort liegen bleiben. Der eine steht unmittelbar wieder auf mit seinem gesamten Zeugs im Schlepptau, dem anderen ist es alles egal geworden.

An manchen Tagen, wenn viel liegen geblieben ist kommt es auch schon mal vor das auf dem Automaten ein Defekt Schild angebracht wurde, aber grundsätzlich funktioniert er und ist leider im regen Betrieb. Als ich hier um die Ecke gearbeitet habe und vom Nachtdienst nach Hause kam ist es mir auch schon passiert, das ich nach 50 Cent gebeten wurde. Ich hatte große Angst, da ich die Not dieser Menschen nicht einschätzen kann und wenig mit Süchtigen in Berührung gekommen bin.

Alle die ich bisher kennen lernen durfte, in meinem Leben waren sehr lieb und wirklich in Not. Sie erzählten mir von ihren Träumen und Illusionen ans Leben, wenn sie die Sucht endlich hinter sich lassen würden: ” Nur noch dieses eine mal” Während sie sprachen, sah man wie sich schon so viele bisher ausgereiften Träume in Seifenblasen aufgemacht hatten und einfach so zerplatzten. Das einzige was diese Menschen am Leben zu halten scheint sind ihre Träume und Illusionen. Den Mut daran weiter an das Leben zu glauben – irgendwann werden sie es schaffen.

Persönliche Not & Angst um mein Kind

Doch meine Not spiegelt sich auf zwei Ebenen wieder. Zum einen meine emotionale: Tag für Tag mit solch einem Leid konfrontiert zu werden. Jeden Tag sieht man wie viele junge Menschen sich ihr Leben damit verbauen. Wir haben schon einen richtigen “Herzensfreund” gefunden. Einen jungen Mann in meinem Alter. Er sieht schlimm aus. Läuft ziellos umher und sucht. Vor kurzem kaufte er sich eine Gummibärchentüte am Rewe. Ich hätte sie ihm so gerne gekauft, aber leider habe ich es zu spät gesehen. Er fragt mich oft nach 50 Cent, aber das kann ich einfach nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Ich hätte zu große Angst ihn danach nie wieder zu sehen. Ich wünsche ihm von Herzen alles Gute und das er seinen Weg irgendwann wieder finden wird. Er ist noch so jung.

Der zweite Punkt ist die unwahrscheinlich große Angst meinem Kind gegenüber. Es ist kein Ort für Kinder. Die Gefahren sind zu groß, dessen bin ich mir in vollster Strärke bewusst, doch wir haben kein Geld um umzuziehen. Hier bezahlen wir beinah nur die Nebenkosten und das rettet uns finanziell. Die Lage ist TOP doch dieser Automat und das Leid und die Gefahren die mit ihm verbunden sind, die machen mich verrückt. Ich kann Samuel nicht mal auf der einzigen grünen vor unserer Haustürspielen lassen, weil dort mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit alles mögliche an Illegalen Substanzen und kleine Nadeln zu finden sein sind.

Herzenznot

Es bricht mein Herz, das mein Herzenzort solch ein Schandfleck zu seinen scheint. Ja, in jeder Hinsicht hat mir dies meine unbekümmerte Zeit mit einem dunklen Schleier überworfen.

Ich musste diese Sätze nach beinah zwei Jahren einfach los werden und jemandem davon erzählen. Alle die ich um mich herum habe sind ebenso fassungslos wie entsetzt und äußern jeden Tag ihr bedenken. Das Land soll es sein, aber es ist doch auch unser zu Hause – oder nicht?

In liebe Eure Alina

 

 

Tags: Eltern, Köln

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Ich bin 34 Jahre jung. Mama von zwei Kindern. Einem Sohn (01/14) und einer kleinen Tochter (08/16). Gemeinsam leben wir am Stadtrand von Köln. Streifen durch die Wälder, kochen, backen und tanzen zusammen. Meinen Blog gründete ich an einem kühlen Februarmorgen im Jahr 2014, als ich nach der Geburt meines ersten Kindes wieder einmal dachte: "So wir mir, geht es sicherlich vielen anderen Eltern da draußen, wieso spricht denn keiner darüber?" In diesem Augenblick traf ich den Entschluss und offenbahrte meinem Partner: "Liebling? Ich blogge - jetzt!" und das war die Geburtsstunde meines Mamablogs. Schön, dass Du den Weg zu mir gefunden hast!
Warum ich die Geburt meines Sohnes erst einmal "ruhen" lassen musste Hari Tea "Mein geheim Tipp für einen gelungenen Start in den Tag"

Comments

  1. Antworten

    Hey Alina! Wir waren Donnerstag noch in Köln und da sagte ich zu meinem Mann, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen könnte, dort zu leben, schon gar nicht mit Kindern – so schön diese Stadt auch ist. Aber Du kennst es schon immer so und Du liebst es. Ich liebe es in unserer kleinen Gemeinde zu leben, wo alles so herrlich gemütlich ist. Kontakte knüpfen kann man hier wunderbar, erst recht, wenn man Kinder hat.
    Letztendlich liegt die Entscheidung bei Dir und Deinem Partner – aber wenn Du Dich um Deinen Sohn sorgst, ist die Entscheidung dann nicht eigentlich schon gefallen? Hör auf Dein Herz!
    Alles Liebe, Nadine

    • Sina
    • 19. Juni 2015
    Antworten

    Ich kann deine Gedanken so gut verstehen. Ich kenne Köln gut, da ich selber seit über zehn Jahren im Umkreis wohne und dort gearbeitet habe. Mein Herz hängt allerdings nicht wie bei dir an dieser Stadt. Ich muss sagen, dass es dort leichter ist Kontakte zu bekommen, grade mit Kind und man überall schnell ist. Allerdings könnte ich mir mit Kindern nicht so gut vorstellen dort zu wohnen. Die Kontraste von Arm und Reich sind gewaltig. Menschen mit Problemen, wie du z.B geschildert hast, häufen sich dort. In bestimmten Gegenden und bei Dämmerung wollte ich nicht alleine sein und darum wäre generell ein Leben in Köln für mich persönlich nichts. Mit Kind bin ich in eine Kleinstadt Richtung Eifel gezogen und mit dieser Entscheidung sehr zufrieden. Und doch bin ich mit dem Auto innerhalb von 30 – 40 min in Bonn, Köln und Aachen und das ist für mich zentral genug.

    Doch wichtig ist, dass du dich wohlfühlst. Es muss doch auch nicht direkt komplettes Land sein. Es gibt doch auch schöne Randgebiete um Köln, wobei da sind die Preise manchmal schon heftig. Mensch, ich hoffe du findest deinen Weg.

    Alles Liebe und ich bin gespannt wie es weiter geht bei dir. Sina

    • Isa
    • 19. Juni 2015
    Antworten

    Du kennst die Antwort, du schreibst es selbst: Es ist kein Ort für ein Kind. Kein Geld für einen Umzug? Kann das Amt nicht helfen? Es ist geradezu gefährlich, da sollte doch Hilfe möglich sein. Klar, du wirst on eine Stadtrandlage ziehen müssen. Für dich schwer, das Kind wird es lieben. Wir wären auch gerne in Kiez-Nähe gezogen, haben uns aber für weiter draußen entschentschieden. Und es muss ja nicht für immer sein. Irgendwann ist dein Kind groß und kann mit der Realität einer Großstadt umgehen. Aber selbst, wenn du bleibst wo du bist, wird dich keiner verurteilen. Du musst nur etwas mehr auf dein Kind aufpassen. Finde den Weg, der dich und dein Kind glücklich macht.
    Drück dir die Daumen!

    • Heike
    • 19. Juni 2015
    Antworten

    Hallo Alina,

    das ist ja wirklich eine schwierige Lage. Ich denke, solange dein Sohn noch klein ist und du immer mit ihm gemeinsam zum Spielen rausgehst, ist es kein soo großes Problem. Er wird sicher nicht wissen, was er da sieht, versteht es einfach noch nicht.
    Als wirklich schwierig sehe ich die Zeit, wenn er größer ist. Freunde zu sich einlädt, mal allein rausgeht usw. Ich weiß nicht wie das in der Großstadt ist, wir wohnen in einer Kleinstadt. Mein Sohn ist acht und geht sehr oft allein raus- zum nahegelegenen Spielplatz, dreht Runden mit dem Fahrrad oder besucht Freunde. Ich denke in deiner Gegend würde er das nicht dürfen.
    Ich denke spätestens dann ist ein Umzug notwendig, vielleicht findet ihr ja eine gute Mischung aus Stadt und Land, zentral genug und doch ruhig.
    Ich wünsche euch viel Glück dabei.
    Liebe Grüße, Heike

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