Seit der Geburt unserer Tochter ist nichts mehr, wie wir es kannten. Unser Sohn, der bis dato immer der Kleine gewesen ist, wurde zum großen Bruder. Eine Enttrohnung fand statt. Mein Freund, Lebensgefährte und Papa meiner Kinder zum zweifach Papa und ich wurde, gefühlt zu einer Vollzeitmami. Wo vorher noch etwas Platz für uns zu sein schien, rückten die Kinder nun endgültig hin. Wollte das eine Kind nichts, wollte das andere etwas und umgekehrt. Hinzu konnten wir zunehmend eine Veränderung beim Großen feststellen, die sich in Hauen, Beißen oder ähnlich heftigen Gefühlsäußerungen darlegten.
Nicht immer äußerte er SO heftige Reaktionen, dass sie sich in körperlicher Natur wiederfanden. Oft wurde er auch einfach nur wütend oder zum richtigen Trotzkind. Anders, als wir es kannten, denn im Gegensatz zu früher, schien einfach kein Rankommen mehr an ihn. Ich redete mir den Mund dusselig. Doch, was bei ihm anzukommen schien, war ernüchternd. Meine Geduld für ihn wich von Tag zu Tag. Er machte es mir nicht leicht, so dachte ich.
Ich las Erziehungsratgeber noch und nöcher. Versuchte mich mit anderen Eltern auszutauschen, aber was blieb unterm Strich? Es schien, als würde mir das entscheidende Puzzleteil in meiner Erziehung fehlen.
Ich versuchte seine negativen Gefühlsäußerungen nicht zu sehr zu beachten. Oft las ich in diversen Ratgebern, dass Kinder mit der Geburt eines Geschwisterchen oft einen Weg gehen, in dem sie negatives Verhalten verstärkt an den Tag legen, da sie so ihre alte Aufmerksamkeit wieder bekommen. Aber stimmt das?
Meine Erfahrungen zeigten, dass je mehr ich ihn ignorierte, so heftiger vielen seine Gefühle aus. Irgendwann schwenkte ich um und begann ihn für sein Verhalten zu „ermahnen“. Ich setzte mich zu ihm auf Augenhöhe, redete mit ihm und versuchte ruhig und besonnen zu erklären, warum sein Verhalten nicht ging. Ich sagte ihm, wie sehr ich ihn liebte. Doch die Folge? Es wurde immer schlimmer und vor allem, er wurde immer sturer.
Schon morgens beim Anziehen merkte ich, dass es kaum mehr ein Rankommen in seine Welt zu geben gab. Er haute immer öfter und alles wurde nur noch schlimmer. Ich war frustriert. Wieso nur? Machte ich denn irgendwas falsch? Ich sagte ihm, wie sehr ich ihn liebte. Ich versuchte ihm klar zu machen, dass wir ein Team seien. Unternahm alleine etwas mit ihm, aber ich drang nicht mehr zu ihm durch.
Und nun? Was tun bei einer Enttrohnung?
Begann ich seine Welt noch einmal neu zu betrachten. Die Taten eines dreijährigen Kindes sind seine Worte. Das Ich-Bewusstsein ist noch nicht so stark ausgeprägt, dass kleine Kinder genau benennen können, wie es ihnen geht und dennoch versuchen sie sich mitzuteilen. Ich lernte also seine Taten – sein hauen, seine Wutausbrüche, sein Trotzverhalten als seine Sprache anzuerkennen UND ich lernte ihm zu sagen: “Ich verstehe Dich“, aber mit einem wichtigen Unterschied. Ich sagte nicht nur, dass ich ihn verstand, ich führte auch Regeln ein, denn Regeln sind Stützen. Pfeiler, an die wir uns halten müssen, um in dieser Welt leben zu können. So doof wir Regeln auch finden mögen. Ich lernte in der letzten Zeit für mich, dass sie uns auch sehr helfen können.
Ich sagte also nicht mehr nur: “Bitte lass das, es tut weh” sondern, “Ich verstehe Dich … oder Ich sehe, dass Du wütend bist UND das darfst Du auch sein. Du darfst es sagen. Du kannst versuchen deine Gefühle zu äußern, aber du darfst NICHT schlagen” Ebenso, sagte ich ihm “Natürlich liebe ich dich sehr und das hauen ändert nichts an meiner Liebe zu Dir, aber dennoch darfst Du wirklich nicht schlagen oder Dinge kaputt machen.”
Es war ein Lernprozess für mich. Doch inzwischen habe ich endlich wieder einen Zugang zu meinem Kind gefunden. Er sieht mich wieder mit anderen Augen. Er äußert Gefühle. Er ist wieder nahbar. Raus aus seiner Welt. Ich sehe wie verletzt er ist. Wie sehr das Geschwisterchen seine Welt verändert hat. Doch SO, sind wir auf einem guten Weg.
Manchmal hilft es nicht die besten Erziehungsratgeber noch und nöcher zu lesen. Manchmal müssen wir einfach nur verstehen lernen.
Denn wollen wir nicht manchmal auch einfach nur verstanden werden?
Eure Alina!
Bei uns ist es die kleine Tochter, die uns immer wieder Rätsel aufgibt, oft verzweifeln lässt. Sie ist jetzt auch schon 4,5 Jahre alt, also gar nicht mehr ganz so klein. Trotzdem rudere ich immer wieder zurück und sage mir: Doch, sie ist noch klein. Ich bin froh, dass wir im Kindergarten eine tolle Erzieherin erwischt haben, die sie in all ihren Eigenarten so nimmt, wie sie eben ist. <3