Am Ende dieses Jahres versuche ich mich zu ordnen. Mein Herz zu spüren und merke: Ich bin verlorener denn je. Heute schrieb mir eine so wundervolle Leserin, dass ich auf meinen letzten Bildern lache, aber sie nicht das Gefühl habe, dass meine Augen mit lachen und sie hat recht. Mir geht es seelisch nicht schlecht. Ich bin sehr erschöpft. Das stimmt und das war ich in diesem Jahr gefühlt jeden Tag. Es sind viele Dinge geschehen, die es mir nicht leichter gemacht haben. Verluste. Streitereien. Beinahe wäre unsere Hochzeit geplatzt. Es gab auf der anderen Seite auch viel Schönes. Herzensmenschen. Freundinnen, die ich gefunden und noch tiefer in mein Herz gelassen habe. Wachstum. Einen sicheren Job, den ich wirklich gerne mache. Ich arbeite mit acht jungen psychisch behindert jungen Menschen, die ich in ihrem Alltag begleiten darf. Ich habe sehr nette Kollegen und ja, ich schätze auch jeden meiner Bewohner sehr. Ich schätze auch mich für die Arbeit, die ich leiste, weil ich sie als Menschen sehe und nicht als krank, wie so viele andere Menschen da draußen. Es ist noch nicht einmal so, dass andere sie „nur“ als krank betiteln, sondern als etwas Niederträchtiges? Etwas nicht normales. Wie konnte das passieren? Kann man es heilen? Wie geht es deinen verrückten?
Berufliches hier und jetzt
Für mich sind das acht wundervolle Menschen, die natürlich ihre Eigenarten haben. Genauso wie ich und jeder andere auch. Ich mag meinen Beruf wirklich gerne. Umso mehr wundere ich mich über meine traurigen Augen. Über das erschöpft sein. Ist es Corona? Hmmmm …. Hat es mir doch im letzten Jahr auch nicht so viel angehabt.
Nein! Irgendwie habe ich das Gefühl nicht mehr zu wissen, wer ich bin. Was mich berührt und ich habe verlernt mein Herz zu öffnen. Sobald ich in mich gehe und wirklich einmal einen Draht zu meinem Innern aufbauen konnte, kommt da gleich der ganze Verlust. Meine Oma, mein Opa und mein Onkel. All sie vermisse ich so sehr. Ich vermisse die Zeit mit ihnen und irgendwie habe ich das Gefühl am Scheideweg zu stehen. Erwachsen zu werden.
Aber, ich will es nicht. Kürzlich las ich in einem Roman, dass die Schriftstellerin davon überzeugt ist, dass wir im Grunde alle auf einer Bank sitzen und darauf warten von unseren Eltern abgeholt zu werden. Und ja! Verdammt. So oft ging mir genau das in letzter Zeit durch den Kopf: Ich will nach Hause. Zu meiner Mama und meinem Papa. Ich mag nicht mehr das Gerüst der Erwachsenen tragen. Ich bin nie wirklich groß geworden. Wenn es schwierig wurde, war mein Papa da. Wenn es kritisch wurde meine Mama und ich liebe sie so sehr, dass es weh tut.
Loslassen will gelernt sein
Und gerade stehe ich an einem Punkt, dass ich merke, wenn ich weich werde, dann muss ich sie loslassen und das will ich nicht. Ich habe das Gefühl ich werde groß. Ich werde Erwachsen. Lasse altes hinter mir. Neues einziehen. Mich einziehen. Schon immer habe ich sehr viel mehr als andere Menschen um mich herum gefühlt und doch ist es jetzt noch so viel intensiver.
Ich bin 33 Jahre alt und habe jetzt das Gefühl, dass ich auf eigenen Beinen stehen muss. Dabei schreit mein inneres danach nachts in das Bett meiner Eltern zu kriechen und ich ganz nah an sie zu kuscheln. Geborgen, sicher, getragen. Ob das wohl jemals aufhört? Ich wurde so geliebt. So getragen von meinen Eltern.
Heute sitze ich auf dieser Bank und warte auf sie. Bin froh, dass es sie noch gibt. Dass ich nicht in aller Härte lernen muss loszulassen und doch merkt ein Teil meines Selbst, dass es jetzt Zeit ist auf eigenen Beinen zu stehen. Eigenverantwortung zu übernehmen, um ganz ich selbst zu sein.
Liebe Alina,
Deine Offenheit berührt mich. Der Balanceakt zwischen Veränderung und dem Wunsch nach Geborgenheit ist spürbar. Deine Arbeit zeigt, wie wichtig es ist, Menschen als Menschen zu sehen. Die Reise zu sich selbst kann komplex sein, besonders wenn Erinnerungen an geliebte Menschen auftauchen. Deine Selbstreflexion ist bewundernswert – sie leitet dich auf deinem Weg des Wachstums. Die Sehnsucht nach “Zuhause” ist verständlich, doch in dir liegt die Stärke, deinen eigenen Weg zu gehen. Du bist nicht allein, und du wirst deine Identität mit der Zeit finden.
Alles Gute auf deiner Reise,