Ich erinnere mich noch gut an den Moment als Samuel, mein Erstgeborener, Mia – das Augustmädchen und ich aufeinander trafen. Es war gleich am nächsten Morgen nach der Geburt. Mir war es wichtig, dass Samuel von Anfang an seine Schwester kennen lernt, weiß wo Mama sich aufhält und für sich versteht, dass auch er immer einen Platz an unserer Seite hat. So kam es, dass der aufgeregte große Bruder, voller Vorfreude auf seine kleine Schwester, am nächsten Morgen ins Zimmer stürmte.
“Wo ist Mia?”
In mir zitterte bereits eine unbekannte Vorfreude, als ich seine süße Kinderstimme auf dem Krankenhausflur vernahm: Wie würde er auf sie reagieren? Würde er es verstehen? Und was wenn er ihr weh tun würde? Meine Bedenken waren und sind ohne Berechtigung. (Samuel ist von der ersten Minute ein fantastischer große Bruder gewesen.) Lauthals öffnete er die Tür meines Krankenzimmers und rief mit energischer Stimme nach seiner kleinen Mia.
Sein T-shirt, dass er stolz vor seiner Brust trug, zierte den Satz: “Großer Bruder”. Das war er. Ein stolzer, großer Bruder, der gleich über das Bett des Babymädchens herfiel um es sanft und liebevoll zu streicheln. Wir alle merkten, dass Mia ihn bereits zuordnen konnte. So vertraut sie einen Tag zuvor auf mich reagierte, genoss sie nun mit vollkommener Ruhe und Zufriedenheit die mal stürmische, mal sanftere Begrüßung ihres großen Bruders.
Mich hingegen brachten diese ersten Momente als zweifach Mama aus dem Konzept. Von dem Moment an als Samuel durch die Tür stürmte bis hin zu dem Moment als er sie Freude strahlend verließ, wusste ich nicht, welches seltsame Gefühl in mir regierte: War es weniger Liebe für einen der beiden? War es Unsicherheit das richtige getan zu haben? War es das Gefühl sich für einen der beiden entscheiden zu müssen?
Immer wieder schaute ich zwischen dem großen Bub, den ich in all seinen Facetten und Ausdrücken kannte und dem Babymädchen, dass so hilflos und schutzlos in seinem Bettchen lag hin und her und fragte mich woher diese unterschiedlichen Gefühle kamen.
Als Samuel die Tür hinter sich schloß war ich bis zum nächsten Wiedersehen Mia´s Mama. Als wir die letzten drei Tage gemeinsam im Familienzimmer verbrachten merkte ich wie viel anstrengender das zwei Jährige Kind im Gegensatz zum Baby war. Er forderte und forderte und als wir endlich das Licht des Tages ausmachten, wusste ich – was ich an diesem Tag emotional geleistet hatte.
Das Gefühl kehrt zurück!
Irgendwann im Laufe dieser drei Tage kam das Gefühl für den Großen zurück. Ich verstand den unterschied dieser beiden kleinen Wesen und war gleichermaßen erleichtert, dass ich keinen von beiden weniger lieb hatte. Ich liebte sie beide von ganzem Herzen – nur anders.
Samuel kenne ich bereits in jeder seiner Interaktionen. Er ist mein Kind. Ich erziehe ihn. Gemeinsam sind wir ein Team, dass sich dem Alltag schon eine ganze Weile gemeinsam stellt. Die Liebe zu ihm ist bedingungslos, aber vertraut. Sie ist unsagbar tief und aus einer Entwicklung heraus auf die Weise entstanden.
Mia lerne ich gerade kennen. Die Liebe zu ihr ist bedingungslos, aber anders. Sie ist aus einem Instinkt heraus. Fühlt sich neu und aufregend an. Und zugleich unfassbar irreal, beinah ungreifbar. Sie verzaubert mich mit ihrem Babylächeln, ihren kleinen, unwillkürlichen Gesten und dem Bedürfnis mich zu brauchen. Ich liebe sie, weil es einfach nicht anders geht.
Jetzt, wo ich endlich zu Hause angekommen bin. Die unterschiedlichen Gefühlen einzuordnen weiß, habe ich begriffen, dass ich mich nicht entscheiden muss, wen ich von beiden Liebe: Ich liebe sie beide ohne das Worte je die Macht dafür hätten, die Intensität dieser Gefühle zu beschreiben.
Ich muss mich nicht entscheiden, ich darf in Zukunft – das Leben als zweifach Mama einfach nur genießen.
Wow! Toller Beitrag. Beim lesen, liefen gerade ein paar Tränchen.